Montlhery 2019

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5 Jahre 1 Monat her - 4 Jahre 11 Monate her #958 von IG-Speichenrad Forum
Montlhery 2019 wurde erstellt von IG-Speichenrad Forum

Mein Gott- was vergeht die Zeit......
Vor 8 Jahren war ich das erste Mal in Montlhery.

Mont... was? werden einige fragen.
Gut.
Brooklands ein Begriff?
Ja, schon mal gehört. Eine alte traditionsreiche Rennstrecke in England.
Von der leider nicht mehr sehr viel übrig geblieben ist.
Unkraut wächst auf dem letzten Rest der noch rudimentär erhaltenen Steilkurve, auf der die automobilen Größen der 20- und 30-iger Jahre ihre Kräfte maßen: Bentley, Fraser- Nash, Riley, Era, Lagonda, Aston Martin, Talbot - um nur die zu nennen, die mir da so spontan einfallen.

Im Süden von Paris dagegen hat wie durch ein Wunder eine Rennstrecke bis heute überlebt, die weltweit ihres Gleichen sucht: Montlhery.
Das liegt in Linas, einem Vorort von Paris.

Ein riesiges Steilkurvenoval aus den 20-iger Jahren 2,5 km im Längsdurchmesser und 0,5 km im Querdurchmesser.

Schaut man sich die Konstruktion des Rennovals an, läuft es einem kalt den Rücken herunter: um in das Innere des riesigen Ovals zu gelangen, fährt man mit dem Auto durch eine Unterführung, die zu Beginn einen ungehinderten Blick auf die filigrane Pfeiler- und Strebenkonstruktion der Steilwände offenbart.
Alles in schmächtig erscheinenden Betonstützen gegossen schaut man von unten gegen die wahnsinnige, ca 20 Meter breite Piste, die parabolförmig gewölbt ist und oben in etwa 15 Meter Höhe eine ca. 45 Grad Schräglage aufweist.
Welche ein irrsinnig aufwändige architektonische Leistung!
Man hätte ja die Steilkurven auch aus dem Erdreich modellierten können, aber die Franzosen haben es architektonisch gelöst. Und das Irre ist, dass es heute - fast 100 Jahre später- immer noch Bestand hat.
Das Oval wurde damals noch erweitert um eine ebenerdige Rennstrecke nach Westen heraus, in die das Oval mit seiner Ostkurve noch heute integriert ist. Genutzt wird heute die Westkurve nicht mehr, wahrscheinlich aus bautechnischen Gründen, aber die Ostkurve ist noch bis heute befahrbar.

Alle 2 Jahre findet hier seit 8 Jahren ein Vintage Festival statt, auf dem nur Vorkriegsautos und Motorräder auf der alten Rennstrecke fahren dürfen. Ohne Wertung: kein Wettbewerb, keine Zeitmessung, einfach nur Fun!

Eingeteilt werden die gemeldeten und von den Veranstaltern ausgewählten Autos in verschiedene Starterfelder, die dann pro Tag 2x einige Runden sich nach eigenem Gusto auf der Rennstrecke austoben können.

Jeder kann seine Geschwindigkeit selber wählen, wobei es natürlich meist zwangsläufig gemäß der damaligen automobilen Technik etwas gemächlicher zugeht. Das da einer in der vollen Höhe der Steilkurve durch entsprechende Geschwindigkeit seine Haftung bekommt ohne abzuschmieren, kommt dann nicht so häufig vor.

Dieses Jahr konnte ich den Besuch in Montlhery auf der Rückreise meines Südfrankreichurlaubes noch mal einbauen: Samstag morgen um 9.15 standen wir im strömenden Regen in einem kleinen Autostau vor der Ticketstelle. In früheren Jahren gab es nur Tickets im Vorverkauf übers Internet.

Gott sei Dank besserte sich das Wetter über Tag, nachmittags zeigte sich sogar die Sonne, unterbrochen von einigen kurzen Regenschauern. Das Wetter tangierte die Teilnehemer scheinbar wenig.
Im Fahrerlager weiß man nicht, wo man zuerst hingucken soll: eine reichlich vertretene Threewheelerfraktion von Morgan und den französischen Lizenzkonstruktionen von Darmont,

oder Bugatti,

Amilcar, Alfa Romeo, oder die zahlreichen Autofabrikate, von denen man nie zuvor etwas gehört hatte.
"Bedelia" zum Beispiel.




Sie erinnerten mich an die selbst gezimmerten Seifenkisten aus meinen Kindheitstagen, nur das sie hier einen Motor hatten, und nicht von Kindern, sondern meist von in Ehren gealterten Herrschaften tot ernst über die Piste bewegt wurden.
Mein Gott: mit Ledertreibriemen... und die Lenkung per Seilzügen hätte meinem kindlichen Hirn entsprungen sein können.
Bremse? Meine Seifenkisten hatten keine Bremsen. Die Schuhsohlen halt. Und die hier waren aber sicher auch nicht viel besser. Die Sitzordnung ebenfalls speziell: vorn sitzt der Beifahrer, dahinter über der Hinterachse der Fahrer
Einfach unvorstellbar.
Nicht nur die Autos und Motorräder, nein, auch die sich im Umfeld bewegenden Typen -wie aus einer anderen Welt.
Nuvolari schon mal live erlebt?
Kein Problem.




Dann noch der kleine, aber illustre Teilemarkt für Vorkriegsautos, manche Stände breiteten völlig unkompliziert ihre Devotionalien auf dem Boden neben den Regenpfützen des Vormittags aus. Wunderbar.









Wer hier medienwirksame Auftritte von namhaften modernen Autoherstellern erwartet, wird enttäuscht. Die kommen hier erst gar nicht rein.

Hier ein paar Impressionen:














2011, als das Vintage Revival zum ersten Mal stattfand, hatte ich die Gelegenheit, als Beifahrer auch mal das Steilkurvenfeeling zu erleben:






Also: auf jeden Fall eine Reise wert!
In 2 Jahren ist es wieder so weit.
Letzte Änderung: 4 Jahre 11 Monate her von IG-Speichenrad Forum.

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